Weg mit der Wegwerfmentalität
15.12.2020 Niederrohrdorf, Region RohrdorferbergCarl Meyer schleift Klingen, um damit das Umweltbewusstsein der Menschen zu schärfen
Billig hergestellte Küchenmesser werden heute überall angeboten. Genau so schnell wie diese gekauft sind, landen sie auch wieder im Müll. Dagegen kämpft Carl Meyer an. ...
Carl Meyer schleift Klingen, um damit das Umweltbewusstsein der Menschen zu schärfen
Billig hergestellte Küchenmesser werden heute überall angeboten. Genau so schnell wie diese gekauft sind, landen sie auch wieder im Müll. Dagegen kämpft Carl Meyer an. «Schärfen statt wegwerfen» heisst seine Devise.
Sein prüfender Blick erkennt sofort, ob es sich um hochwertige Messer handelt. «Diese zwei, das ist chinesische Billigware aus dem Discounter», urteilt Carl Meyer über die mitgebrachten Küchenmesser. Das dritte kommt aus England, ebenfalls eher günstig. «Aber das macht nichts», beruhigt der Schleifffachmann. «Auch diese Klingen kann ich bearbeiten.» Der Hauptunterschied sei einfach: Sie werden nicht so lange scharf bleiben wie teure Geräte, unter anderem wegen dem minderwertigeren, weicheren Stahl.
Gesagt, getan. In seiner mobilen Werkstatt fliegen kurz darauf die Funken. An der vom Generator betriebenen Maschine verwendet Meyer mit Keramik beschichtete Schleifbänder in verschiedenen Stärken. «Erst kommt die Form, dann der Schliff», erklärt er, während der Stahl kreischt und es anfängt, nach Metallstaub zu riechen. Bei einem Messer steht der Kropf zu weit über, ein Knubbel beim Übergang vom Griff zur Klinge. Meyer rundet diesen ab und weist darauf hin, dass im Grund jedes Messer nach dem Kauf einen Schliff benötigt. «So ein Auslieferungsschliff ist oft nur grob und im Originalzustand wenig brauchbar», sagt er.
Auch Besteckmesser schleift er, bis sie scharf sind wie Steakmesser. Für gezahnte Messer benutzt der Fachmann diamantbeschichtete Wellenschleifscheiben mit verschiedenen Abständen, geeignet vom Brotmesser bis hin zur professionellen Coiffeurschere mit Mikrozahnung.
Nach dem Feinschliff wird poliert, bis der Stahl glänzt. Zufrieden begutachtet Meyer sein Werk. Eigentlich bietet Meyer seine Dienste schwerpunktmässig Schulen, Grossgastronomie und Lebensmittelindustrie an. Doch weil sein Wagen auf dem Parkplatz des Egro-Areals nicht zu übersehen ist, hat er in letzter Zeit auch Anfragen aus der Bevölkerung erhalten. Darum hat er sich entschlossen, nach vorgängiger Absprache, an seiner Privatadresse an der Moosstrasse 7, Aufträge entgegenzunehmen. Er ist sich sicher: Wer einmal mit einem scharf geschliffenen Messer gearbeitet hat, kommt immer wieder.
Meyer ist Miteigentümer der Bolleter Gruppe, welche insgesamt sieben mobile Werkstätten betreibt. «Ich bin lange mit meinem Wagen im Zürcher Oberland über die Dörfer gefahren», erzählt er. «Unser Service ist bekannt und beliebt.» Mit seinem Fokus auf Schulen und Unternehmen verfolgt er eine neue Strategie: «Für die Grosskunden ist es unkomplizierter, wenn ich zu ihnen fahre und vor Ort schleife», erklärt er. So sei es beispielsweise möglich, die Messer in Tranchen während dem Betrieb zu schleifen. Wenn er bei Schulen arbeitet, sei es zudem möglich, Schülerinnen und Schülern das alte Handwerk zu zeigen. Messerschmiede gibt es kaum noch. Meyer hat diese Ausbildung zwar auch nicht genossen, dafür aber als Quereinsteiger von einem erfahrenen Schleifffachmann alles gelernt, was es zu lernen gibt. Alle Arten von Messern, Scheren und Handwerkergeräten macht er wieder fit.
Es gehe ihm dabei darum, den Gedanken der Nachhaltigkeit zu vermitteln – und wo funktioniert das besser als an Schulen? «Alle stehen heute unter Spardruck», sagt er. «Aber es lohnt sich einfach, gute Geräte zu kaufen und diese zu pflegen. Und die Günstigen zu schleifen statt fortzuwerfen.» Reich werde er dabei sicher nicht, dafür sieht er einen Sinn in seiner Arbeit. «Mir gefällt der Kundenkontakt und ich arbeite gerne mit den Händen», sagt er. «Aber das Schönste ist das Strahlen der Kundinnen und Kunden, wenn sie das erste Mal ihr scharfes Messer in den Händen halten.»
Stefan Böker