«Angst ist ein schlechter Ratgeber»
27.09.2022 Tägerig, FreiamtFahrlehrer Daniel Rudolf zum «Fahren ab 17» und zur umstrittenen Führerausweisprüfung mit Automat
Viele Fahrlehrer beklagen finanzielle Einbussen und warnen vor erhöhtem Unfallrisiko aufgrund der revidierten Vorschriften beim Führerausweis. Daniel Rudolf teilt ...
Fahrlehrer Daniel Rudolf zum «Fahren ab 17» und zur umstrittenen Führerausweisprüfung mit Automat
Viele Fahrlehrer beklagen finanzielle Einbussen und warnen vor erhöhtem Unfallrisiko aufgrund der revidierten Vorschriften beim Führerausweis. Daniel Rudolf teilt diese Ängste nicht und sieht sogar Vorteile.
Er spüre nach wie vor viel Verunsicherung aufgrund der Neuregelungen, sagt Fahrlehrer Daniel Rudolf – nicht nur bei den Fahrschülern. Dabei sind die Vorschriften teilweise gar nicht mehr ganz so neu. Bereits seit 2019 dürfen Fahrschülerinnen und -schüler, die ihre Prüfung auf einem Fahrzeug mit Automat gemacht haben, später auch handgeschaltete Autos fahren: «Das hat unter der Fahrlehrerschaft grosse Wellen geschlagen, weil wir wussten, es wird weniger Arbeit abwerfen», so Rudolf. Erst kürzlich sprachen zwei Fahrlehrer, darunter der Präsident des Aargauer Fahrlehrerverbands (AFV), in der «Aargauer Zeitung» über ihre Existenzängste und warnten vor erhöhtem Unfallrisiko. «Für uns Anbieter ist es eine Herausforderung», gibt Daniel Rudolf zu. «Wir haben 25 Prozent weniger Stunden, weil wir auf Automat schulen». Gefährlich findet er es aber nicht, selbst wenn jemand, der seinen Führerausweis auf Automat gemacht hat, hinterher geschaltet fahre: «Man hat argumentiert, es gäbe mehr Unfälle, das hat sich nicht bewahrheitet», sagt Rudolf. Er sieht ausserdem nicht nur Nachteile: So bleibe beispielsweise mehr Zeit, während der Fahrstunden andere Dinge zu üben: «Ich kann den Schülern viel mehr mitgeben, weil wir von Anfang an schwierige Sachen machen können.» Schliesslich werde die Situation im Strassenverkehr nicht einfacher, sondern komplexer. Er selbst bietet sogar nur noch Fahrkurse mit Elektro- oder Hybridfahrzeugen ohne Handschaltung an. «Die Schüler fahren privat Verbrenner und haben kein Problem damit, umzusteigen», erklärt er. Für Schülerinnen und Schüler, die handgeschaltete Autos fahren wollen, hat er darüber hinaus ein Lernvideo auf seiner Homepage hochgeladen: «Das funktioniert. Ich habe viele Schüler, die das durchgezogen haben», erklärt Rudolf.
Existenzängste bei Kollegen
Für seine Aussagen hat er viel Gegenwind von den Berufskollegen bekommen. Schliesslich trat er sogar aus dem Fahrlehrerverband aus. «Ich will mit keinem Stress», betont er. «Aber wir können die Situation nicht ändern und Angst ist ein schlechter Ratgeber», so Rudolf. Einig ist sich der Fahrlehrer mit den Berufskollegen allerdings, dass es einen Grundstock an professionellen Fahrstunden brauche – auch mit Automat: «Nach circa 20 Stunden haben wir die Grundlagen durch und haben sie gefestigt», sagt er. Früher habe es durchschnittlich 34 Lektionen bis zur Prüfung gebraucht, jetzt seien es weniger. Die Zahl variiere jedoch je nach Fahrschüler. Er sei aber bestrebt, mit möglichst wenig Fahrstunden das Ziel zu erreichen. Für die Schüler sieht er dabei weitere Vorteile: «Die Fahrausbildung wird günstiger. Ich kenne viele Schüler, die das Geld zusammenkratzen müssen.»
Wann mit Fahrkursen beginnen?
Seit 2021 ist es möglich, nach der Theorieprüfung schon mit 17 einen Lernfahrausweis zu beantragen und mit einer Begleitperson Auto zu fahren. Obligatorisch ist aber eine Lernphase von zwölf Monaten bis zur praktischen Prüfung. Die Übergangsfrist, die für den Jahrgang 2003 galt, ist dieses Jahr ausgelaufen. «Viele sind überfordert und fragen sich: wann soll ich zum Fahrlehrer?», weiss Rudolf aus Erfahrung. Davon, sich nur paar Tipps vom Fahrlehrer zu holen, rät er dringend ab: «Dann schleichen sich Fehler ein, das ist schwierig zu korrigieren», warnt er. «Ich empfehle wärmstens, die Grundlagen zusammen mit dem Fahrlehrer anzufangen und gleich bis und mit zu den Autobahnfahrten voranzutreiben.» Parallel sollten die Schüler mit den Eltern üben. «Ich klinke mich dann zwei Monate vor der Prüfung wieder ein», erklärt Rudolf. Eine Alternative sei, vier Monate vor der Prüfung anzufangen und es dann durchzuziehen: «Manche Leute lernen so besser», sagt er: «Meine Erfahrung ist aber die, dass sich das Wiedereindocken bewährt hat», so Rudolf.
Fahrschülern Mut machen
«Wichtig ist, dass die Schüler keine Angst haben», fasst Daniel Rudolf seine Botschaft zusammen. «Mein Vater hat gesagt, wenn ich nicht schalten kann, bin ich blöde», bekomme er manchmal zu hören. Es gelte diese Hemmschwelle zu überwinden. Quasi als Beweis für seine Methode hat Rudolf ein Dankesschreiben des Bereichsleiters Führerprüfung auf seine Homepage gestellt. Dieser gratuliert ihm zu der überdurchschnittlichen Erfolgsquote seiner Schüler bei der praktischen Prüfung. Mit 83 Prozent lag diese 2021 deutlich über dem Durchschnitt von 65 Prozent.
Michael Lux