«Es ist wichtig, die Menschen zu sensibilisieren»
10.02.2023 Region ReusstalStiftungen in der Region: Die Stiftung «Firmm», mit Sitz in Mellingen, widmet sich der Information und Forschung zum Schutz von Meeressäugern
1998 gründete Katharina Heyer die «Foundation for information and research on marine mammals», kurz «Firmm». ...
Stiftungen in der Region: Die Stiftung «Firmm», mit Sitz in Mellingen, widmet sich der Information und Forschung zum Schutz von Meeressäugern
1998 gründete Katharina Heyer die «Foundation for information and research on marine mammals», kurz «Firmm». Die Stiftung hat sich der Information und dem Schutz von Walen und Delfinen in der Strasse von Gibraltar verschrieben. Dieses Jahr feiert sie ihr 25-Jahr-Jubiläum.
Als erfolgreiche Sporttaschen-Designerin mit eigener Firma jettete Katharina Heyer jahrelang um die Welt. Doch an Weihnachten 1997 stellte eine schicksalhafte Begegnung in Spanien ihr Leben auf den Kopf: «Ich war 55 und an einem Punkt im Leben, wo ich dachte, es muss etwas Neues kommen», erinnert sich die heute 80-Jährige. Durch Zufall – oder war es Schicksal? – landete die Schweizerin damals auf der Suche nach Erholung in Tarifa, einer Hafenstadt an der Strasse von Gibraltar. «Fahr doch Mal nach Tarifa, da gibt es Orcas und Delfine», hatte ein Freund ihr geraten. Heyer wollte es zunächst nicht glauben – bis zu ihrer ersten Begegnung mit den majestätischen Meeressäugern. «Da habe ich zum ersten Mal Grindwale und Grosse Tümmler entdeckt», berichtet sie. Sie sei sofort fasziniert gewesen, aber auch bestürzt, die Tiere in der viel befahrenen Meerenge zwischen all den Tankern zu sehen: «Für mich war es klar, dass sie bedroht sind, gleichzeitig wollte ich herausfinden, welche Tiere es dort noch gibt.»
Katharina Heyer hatte ihre neue Aufgabe gefunden: Möglichst vielen Menschen die faszinierende Begegnung mit den Meeressäugern zu ermöglichen und diese dabei für deren Gefährdung zu sensibilisieren. Dazu tat sich Heyer 1998 mit dem Meeresbiologen Prof. Dr. David Senn von der Universität Basel zusammen und gründete an ihrem Wohnort in Affoltern am Albis die Stiftung «Firmm», die heute ihren Sitz in Mellingen hat und von der Treuhandagentur Karpf, Brack & Partner betreut wird. Aufgaben der Stiftung sind die Information sowie die Forschung zum Schutz der Meeressäuger durch «respektvolles Whalewatching», wie es auf der Stiftungs-Homepage heisst. Wobei es Whalewatching damals so noch überhaupt nicht gegeben habe, erinnert sich Heyer.
Kampf gegen Widerstände
Entsprechend skeptisch begegneten die damals noch sehr vom «Machismo» geprägten Spanier der engagierten Schweizerin, die kurzerhand ihr Geschäft verkaufte und aus eigener Tasche ein kleines Boot finanzierte. Ein erstes Begegnungszentrum richtete sie mit Freunden in einer heruntergekommenen, ehemaligen Bar ein: «Man hat mich nicht mit offenen Armen empfangen», blickt die heutige Stiftungsratspräsidentin auf die ersten, steinigen Jahre zurück. Es taten sich gar einige Kapitäne zusammen, warben Mitarbeiter ab und versuchten der Stiftung Konkurrenz zu machen. Freilich mit rein kommerziellem Interesse und ohne Erfahrung, wie man Menschen bewegt. Eine Stärke, die Katharina Heyer, die früher bereits in einer anderen Stiftung tätig war, offensichtlich mitbrachte. Nach fünf harten Jahren, in denen die Netzwerkerin gegen viele Widerstände zu kämpfen hatte, glätteten sich die Wogen langsam. Dank einer eingeschworenen Crew aus Einheimischen bekam sie schliesslich auch Rückendeckung von den Spaniern.
Bis zu 33 000 Besucher jährlich
Heute besitzt die Stiftung zwei Boote, von denen das grössere bis zu 100 Personen fasst. Denn über die Jahre wuchs auch das Interesse an den Walen und Delfinen – vor allem in der Hochsaison im Juli und August, in der es Orcas zu sehen gibt. Vorher kann man Finnwale und Pottwale beobachten. Darüber hinaus sind in der Strasse von Gibraltar Grindwale, Grosse Tümmler, sowie gewöhnliche und gestreifte Delfine unterwegs: «Die Sichtungschancen sind 99 Prozent», sagt Heyer. Insgesamt leben sieben verschiedene Delfin- und Walarten in den Gewässern der Meerenge. Dass man das so genau weiss, ist nicht zuletzt der Forschung der Stiftung zu verdanken. «Auf jeder einzelnen Fahrt wird Forschung betrieben», so Heyer. Es werde erfasst, welche Tiere gesichtet würden, wie viele und wie sich diese verhielten. Auch Verletzungen würden dokumentiert. «Wir machen auch Fotoidentifikation. Die Grindwale haben beispielsweise unterschiedliche Rückenflossen», erklärt Katharina Heyer, die mittlerweile selbst eine Expertin für die Meeressäuger ist. Viele Tiere können die Forscher so eindeutig identifizieren. Sie tragen sogar eigene Namen – wie zum Beispiel «Observador», ein besonders neugieriger Pottwal. Unterstützer der Stiftung haben die Möglichkeit, für einzelne Tiere Patenschaften zu übernehmen. Aus diesen finanziert sich «Firmm», neben den Einnahmen aus denTouristenfahrten. Gerade in den beiden schwierigen Corona-Jahren musste Heyer dennoch immer wieder aus eigenen Mitteln Vorschuss leisten, damit die saisonal bis zu 17 Mitarbeiter bezahlt werden konnten. Im vergangenen Jahr war der Andrang dafür umso grösser und die Stiftung konnte zum ersten Mal ein Plus verbuchen. «Es ist wie ein Aufatmen, nach 25 Jahren», freut sich Katharina Heyer, die während der siebenmonatigen Whalewatching-Saison in Spanien lebt und im Winter in die Schweiz zurückkehrt. Auch auf wissenschaftlicher Ebene erhält die Stiftung Anerkennung. Katharina Heyer erhielt für ihr wissenschaftliches Engagement sogar die Ehrendoktorwürde der Uni Basel. Denn die Stiftung beschäftigt mit Jörn Selling mittlerweile nicht nur einen eigenen Meeresbiologen und informiert die Besucher vor jeder Fahrt über die Meeressäuger; «Firmm» spricht auch das breite Publikum in Vorträgen und Referaten in der Schweiz an. Stiftungsrätin und Ökologin Prof. Dr. Patricia Holm von der Universität Basel ist darüber hinaus Mitglied in der Internationalen Walfangkommission (IWC). Neben Jörn Selling wird sie am 25. Februar beim öffentlichen «Firmm»-Treffen im Kultur- und Kongresshaus in Aarau referieren. Dann blickt auch Katharina Heyer noch einmal zurück auf 25 Jahre Stiftungsgeschichte.
Michael Lux
Infos: firmm.org, firmm-education.org
Serie: Stiftungen in der Region
Sie sind wichtig für die Gemeinden und wirken teils weit darüber hinaus. Wir widmen diese Serie Stiftungen aus der Region. Bisher erschienen: «Pro Diamantina», Remetschwil; «Fischerhaus-Reuss-Stiftung», Mellingen; «Albert und Ida Nüssli-Stutz-Stiftung», Mellingen
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