Saskia Iten studierte Journalismus an der Schule für angewandte Linguistik in Zürich und arbeitete als Journalistin beim «Reussbote». Heute ist sie bei einem Schweizer Medienunternehmen tätig. Kreativität ist für sie Beruf und Leidenschaft: In ihren ...
Saskia Iten studierte Journalismus an der Schule für angewandte Linguistik in Zürich und arbeitete als Journalistin beim «Reussbote». Heute ist sie bei einem Schweizer Medienunternehmen tätig. Kreativität ist für sie Beruf und Leidenschaft: In ihren Kolumnen hält sie Geschichten fest, die der Alltag schreibt.
Was heisst schon Talent?
Der Nachteil, mit Schreibtalent gesegnet zu sein? Alle denken, man ziehe sich die Buchstaben mühelos aus den Fingern und verwandle sie wie Magie zu bedeutungsvollen Texten. Kennen Sie das auch? Fragen wie «Kannst du mir bitte ein Bewerbungsschreiben verfassen?», «Würdest du kurz meinen Brief gegenlesen?» oder «Schreib mir doch schnell einen kleinen Text dazu». Zwischendurch. Kurz. Schnell. Die Wahrheit ist: Schreiben kostet Zeit und ist anstrengend. Manchmal brüte ich stundenlang vor einer Kolumne. Schlimmstenfalls sitze ich längere Zeit vor einem leeren Dokument, weil sich die Gedanken nicht so zusammenfügen, wie ich mir das wünsche. Irgendwann beginne ich in solchen Momenten gedankenverloren auf einem Notizzettel herumzukritzeln. Inmitten dieser Ratlosigkeit kommt es nicht selten vor, dass aus einem Wort wie «Schreibblockade» plötzlich «Schreibblock ade» entsteht, an dessen Doppeldeutigkeit ich mich glückselig ergötze. Die Fähigkeit des Schreibens lässt sich wie eine Person mit verschiedenen Gesichtern beschreiben: eines frohlockt, ein anderes denkt nach – während ein weiteres leidvoll vor sich hinstarrt. Der Schriftsteller Ernest Hemingway sagte einst: «Schreiben ist nichts Besonderes. Alles, was man tut: Man sitzt an einer Schreibmaschine und blutet». Naja, ganz so dramatisch ist die Schreiberei auch wieder nicht. Das fand auch Schriftsteller Mark Twain: «Schreiben ist ganz einfach. Man muss nur die falschen Wörter weglassen». Möglicherweise sind die Aussagen überspitzt. Doch die verschiedenen Ansichten zeigen, dass Talent keine genetische Veranlagung, sondern Arbeit ist. Talente werden erst zu Stärken, wenn wir sie erkennen, regelmässig daran feilen und sie stetig weiterentwickeln. Was ist Ihr Talent? Und denken Sie nicht, Sie hätten keines. In welchem Bereich werden Sie immer wieder gefragt, ob Sie nicht noch kurz, schnell oder zwischendurch etwas erledigen können? Die Menschen in unserem Umfeld erkennen unsere Talente meist schneller als wir selbst. Mittlerweile habe ich festgestellt, dass mir etwas Leidensdruck ganz gut tut. Im Akt der Verzweiflung entstanden aus unbedeutenden Wörtern schon sinnvolle Sätze, die sich wie Magie zu unterhaltsamen Texten fügten. Mittlerweile orientiere ich mich in von Schreibblockaden geprägten Momenten an der erhellenden Feststellung des Journalisten Enrique Jardiel Poncela: «Wenn etwas leicht zu lesen ist, dann war es schwer zu schreiben.» Schreibblock ade! Spätestens am Ende des Textes bin ich überzeugt: Es ist doch eigentlich ganz schön, mit Talent gesegnet zu sein.