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12.09.2023 PorträtHeute Giuseppe Rondinelli
Giuseppe Rondinelli wanderte mit 17 Jahren aus Italien aus und fand in der Schweiz eine neue Heimat. Der Präsident der Associazione Italia Nostra, Mellingen, hat über das vergangene Wochenende die italienischen Kulturtage mit ...
Heute Giuseppe Rondinelli
Giuseppe Rondinelli wanderte mit 17 Jahren aus Italien aus und fand in der Schweiz eine neue Heimat. Der Präsident der Associazione Italia Nostra, Mellingen, hat über das vergangene Wochenende die italienischen Kulturtage mit einer Fotoausstellung und einem Film über die Einwanderung organisiert.
◆ Weshalb haben Sie diese Fotoausstellung nach Mellingen gebracht?
Mir ist es wichtig, dass unsere Geschichte auch über die nächsten Generationen erhalten bleibt. Unsere Söhne und Töchter wissen nicht, wie schwierig es für uns war. Ein fremdes Land, der Sprache nicht mächtig und harte Arbeit auf dem Bau. Bis zu elf Stunden am Tag war keine Seltenheit. Daneben habe ich mich an der Schule weitergebildet.
◆ Wie alt waren Sie, als Sie in die Schweiz einreisten?
Ich war 17 Jahre jung und verliess das Elternhaus in Filadelfia (Kalabrien). Ich kam am 1. Juli 1966 in die Schweiz (nach Mellingen) und hatte mein Zuhause in den Unterkünften der ehemaligen Baufirma Bischof+Neuhaus. Wir waren dort 40 Personen aus Italien.
◆ Weshalb wollten Sie auswandern?
In den 1960er-Jahren war die Wirtschaft in Italien am Boden. Mein Vater führte einen kleinen Laden und betrieb Landwirtschaft. Er wollte nicht, dass ich gehe. Meine Mutter war sehr traurig, sie weinte. Aber ich wollte es probieren. Ich sah in Italien keine Perspektiven mehr. Viele wanderten in dieser Zeit aus Italien aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Italien am Boden.
◆ Weshalb die Schweiz?
Die Schweiz war attraktiv, viele Italiener reisten in die Schweiz. Aber auch nach Deutschland, Belgien, Australien und Amerika. Ich hatte das Glück, dass ich in der Schweiz gut aufgenommen wurde.
◆ Wie war die Ankunft in der Schweiz?
Es war für mich eine sehr schwierige Zeit. Wir hatten nichts, ich war alleine und kannte niemanden. Ich hatte keine Ausbildung und begann als Handlanger. Aber schon nach zwei Jahren konnte ich jede Maschine bedienen. Ich habe sehr viel gearbeitet. Meinem Patron von Bischof+Neuhaus habe ich viel zu verdanken. Er hat mich gefördert und mich dazu ermuntert die Bauschule zu absolvieren. Etwa fünf Jahre war ich von morgens um 6 Uhr bis nachts um 23 Uhr unterwegs. Er hat mir auch das Skifahren beigebracht. Herr Bischof war für mich wie ein Bruder.
◆ Sie haben heute eine Familie in der Schweiz, erzählen Sie.
Meine Frau lernte ich in Filadelfia kennen. Die ersten vier Jahre war ich Saisonnier und ich musste für eine Zeit lang ausreisen. Als ich wieder einmal in Filadelfia war, lernte ich sie kennen. Wir heirateten 1978 in der Schweiz. Wir haben zwei erwachsene Söhne (Mario und Toni), die sich hier ebenfalls zu Hause fühlen. Ursprünglich wollten wir wieder zurück nach Italien. Aber es kam anders, ich fühle mich hier Zuhause, aber ich gehe gerne immer wieder nach Filadelfia.
◆ Weshalb engagieren Sie sich im Verein Associazione Italia Nostra?
Ich bin seit 1986 Präsident dieses Vereins. Der Verein war unser einziger Treffpunkt, wir konnten unter uns sein. Es ist dort wie in einer grossen Familie. Von 2008 bis letztes Jahr war ich Kantonalpräsident, im Aargau haben wir sieben Treffpunkte, wir nennen sie Circolo. Mein Engagement ist für mich eine Herzensangelegenheit.
◆ Weshalb organisieren Sie die Kulturtage?
Es soll auch ein Dankeschön an die Schweiz sein. Und viele Secondos wissen nicht, wie es uns ergangen ist. Die Fotoausstellung und der Film sollen sie daran erinnern.
Interview Benedikt Nüssli
Spontane Kurz-Fragen zum Schluss:
Chaotisch oder ordentlich: ordentlich
Bier oder Wein: Wein, vorzugsweise aus Italien
Fastfood oder Gourmet: Gourmet
Winter oder Sommer: Sommer
ÖV oder Auto: Auto
Kino oder TV: Kino
Ferien im Norden oder Süden: Süden
Hund oder Katze: Katze