GASTKOLUMNE
28.11.2023 KolumneSaskia Iten studierte Journalismus an der Schule für angewandte Linguistik in Zürich und arbeitete als Journalistin beim «Reussbote».
Ja, es geht um Geld
«Wer den Rappen nicht ehrt, ist den Franken nicht wert» ...
Saskia Iten studierte Journalismus an der Schule für angewandte Linguistik in Zürich und arbeitete als Journalistin beim «Reussbote».
Ja, es geht um Geld
«Wer den Rappen nicht ehrt, ist den Franken nicht wert» – das wurde mir schon vor der 1. Klasse beigebracht. Ich war mir schon als Kind nie zu schade, noch so kleine Münzen vom Boden aufzuheben. Während mich meine Eltern das Sparen lehrten, brachten mir meine Lehrer das Rechnen und den Umgang mit Zahlen bei. Stundenlang paukten meine Mitschüler und ich das Einmaleins. Wir befassten uns mit Algebra und Geometrie. Obwohl ich Deutsch- und Sprachlektionen jeder Mathestunde vorzog, wusste ich in der 4. Klasse, wie sich die Hypotenuse in einem rechtwinkligen Dreieck berechnen lässt und wie ich die Wurzel von Pi ziehen kann. Ganz ehrlich? Ich habe dieses Wissen im Erwachsenenalter nie wieder gebraucht. Damit will ich Algebra nicht als unnützes Wissen verdonnern. Vielmehr wird mir bewusst, dass mir das beim Einstieg aufgeführte Sprichwort mehr für meinen späteren Alltag mitgab, als zahlreiche Mathestunden der Schulzeit. Meinen Eltern bin ich dankbar dafür, dass sie mich das Sparen lehrten. Meinen Lehrern dafür, dass sie mich in die Zahlenwelt einführten. Vom Schulsystem bin ich jedoch etwas enttäuscht: das Thema Finanzen gehört meiner Meinung nach viel früher ins Klassenzimmer. Denn das eine ist, wie man mit Zahlen jongliert und Geld spart – das andere, wie man dieses sinnvoll anlegt. Wem das entgeht, der merkt früher oder später, dass sich Ersparnisse zwar erhöhen, aber gleichzeitig an Kaufkraft verlieren.
Ein Gedankenexperiment: Angenommen, ich hätten in der 4. Klasse, je 100 Fr. in einen ETF (börsengehandelter Fonds) investiert. Unser eingesetztes Kapital hätte sich bei einer durchschnittlichen Rendite von neun Prozent innerhalb von zehn Jahren auf rund 237 Fr. erhöht. Es hätte sich ohne Aufwand mehr als verdoppelt. Auf dem Sparkonto haben die 100 Fr. jedoch an Wert verloren – es bleiben nach Abzug von Steuern und Teuerung noch 91 F. übrig. «Geld macht gierig», «Zum Investieren habe ich zu wenig Geld», «Geld verdirbt den Charakter». Über Geld gibt es viele negative Glaubenssätze, was mitunter dazu führt, dass viel zu wenig darüber gesprochen wird. Eine rationale Perspektive lautet: Geld ist ein Tauschmittel – und richtig eingesetzt, kann es viel Positives bewirken. Die Anlage in einen ETF ist keine Hexerei; mittlerweile ist mir das auch als Buchstabenmensch bewusst. Zum Investieren brauche ich weder Multiplikationen, noch Gleichungen. Auch keine Kreise oder Winkel. Ich muss nicht risikofreudig sein und auch keine Geldspiele mögen. Was ich brauche ist Wissen; und Mut zum ersten Schritt. Schon behält bei dem, der den Rappen ehrt, auch der Franken seinen Wert.