Werkzeugkiste für eine gelingende Erziehung
01.12.2023 Gesundheit, GewerbeWie Du deine Kinder erziehst – und ganz nebenbei auch dich selbst!
Beratungskolumne der Heilpädagogin und Familientherapeutin Iris Selby
Frage von Philippe und Sofia
Unsere zwei Mädchen, 5 und 7 Jahre alt, ...
Wie Du deine Kinder erziehst – und ganz nebenbei auch dich selbst!
Beratungskolumne der Heilpädagogin und Familientherapeutin Iris Selby
Frage von Philippe und Sofia
Unsere zwei Mädchen, 5 und 7 Jahre alt, streiten täglich miteinander. Sie streiten um Spielsachen, wer zuerst an der Reihe ist und auch sonst. Das Streiten ist laut und für uns Eltern sehr nervenaufreibend. Alle Versuche einer Friedensstiftung versanden. Immer wieder kommt das eine oder das andere Mädchen zu uns Eltern gerannt und erzählt uns, wie gemein die Schwester zu ihr ist. Nehmen wir das eine Mädchen in Schutz, findet das andere Mädchen sich ungerecht behandelt. Wie können wir mit dem Streit unserer Kinder umgehen, ohne dass die Familie sich entzweit?
Liebe Philippe und Sofia
Etwa 80 Prozent des Streites unter Geschwistern werden nur für die Eltern fabriziert! Aus psychologischer Sicht hat das mit der Aufmerksamkeit der Eltern zu tun. Somit ist euer Verhalten ausschlaggebend dafür, wie oft und wie stark eure Mädchen streiten. Einfach ausgedrückt: Eure Kinder wollen herausfinden, wer von ihnen von Mami und Papi mehr geliebt wird. Mit dieser Streit-Strategie buhlen eure Kinder somit unbewusst um eure Liebe. Um das zu durchbrechen könnt ihr auf Streit in Zukunft anders reagieren als bisher.
Der wohl wichtigste Tipp für diese Momente: Erfüllt die unbewusste Absicht eurer Kinder NICHT. Schenkt ihnen keine Aufmerksamkeit. Haltet euch zurück, wartet ab und bleibt «untätig»! Anfangs werden die Kinder noch mehr streiten und noch lauter sein, um ihr Ziel zu erreichen, doch schon bald wird sich der Streit nicht mehr lohnen und weniger werden, versprochen.
Eine andere Verhaltensweise ist auch wichtig: Solltet ihr dennoch zu einem Streit hinzugezogen werden, dann dürft ihr keinesfalls eine Polizistenrolle einnehmen. Nicht verurteilen, keine Urteile fällen, nicht bestrafen. Es gibt keine schlechten oder guten Kinder, es sind einfach zwei Kinder, die streiten.
Kommt dazu: Falls Kinder, auch in der Schule oder mit Kameradinnen streiten sollten: Nehmt niemals die Rolle des Anwaltes eines der Kinder ein. Verteidigt euer Kind nicht, auch wenn es noch so offensichtlich ist, dass es im Recht ist – und das andere im Unrecht. Bietet einfach Unterstützung an.
«Wir sehen, ihr habt ein Problem, braucht ihr meine/unsere Hilfe?» Bleibt in der sogenannten «Wir-Ihr-Sprache». Ermutigt die Kinder einen Weg der Lösung selbst zu finden und begleitet sie dabei.
Was auch kontraproduktiv wirkt: Werdet nicht zu «Predigern». Lasst moralisierende Aussagen. Nehmt die Gefühle aller Parteien ernst und hört zu, was die Betroffenen nacheinander zu sagen haben. Weint ein Kind, dann tröstet das weinende Kind. Das Kind, welches in der Täterrolle ist, ignoriert ihr, bis das weinende Kind sich beruhigt hat. Auch hier: Keine Predigten an das «böse Kind» richten. Es gibt kein böses Kind, nur eines, welches in einem Moment nicht mehr wusste, wie es mit einem Gefühl umgehen konnte.
Nun liegt es an euch. Seid zuversichtlich und geduldig. Hört ihr Streit im Kinderzimmer? Bleibt dennoch in der Küche, ohne zu reagieren. Das wird euch zunächst schwer fallen, lohnt sich aber bestimmt. Wenn es euch zu laut wird, dann schliesst ihr die Zimmertür und sagt nebenbei zu den Kindern: «Es ist uns zu laut, wenn ihr so streitet.» Ängstigt euch nicht, dass dem einen Kind etwas zustossen könnte. Bleibt stark und zeigt euch keinesfalls am Tatort. Für die Kinder wird euer Verhalten zunächst befremdend sein. Nach einer Weile wird ein Kind dann zu euch kommen um zu hören, dass es im Recht ist. Ohne Stellung zu beziehen und ohne euch einzumischen, könnt ihr dann antworten: «Wir haben gehört, dass ihr ein Problem habt. Wir sind sicher, ihr findet gemeinsam eine Lösung.» und je nach dem, «Was macht ihr jetzt?».
Es dauert ein paar Tage, vielleicht auch einige wenige Wochen und Ihr werdet erleben, wie die Streitereien und das Verpetzen immer weiter abnehmen. Probiert es aus und übt euch in eurer neuen Gelassenheit. Fällt ihr auf die Aufmerksamkeitssuche eurer Girls aber weiter hinein, dann wird alles genau so bleiben, wie es heute ist. Viel Glück und Beharrlichkeit.
Eure Erziehungsberaterin, Iris Selby
Impulse für neue Lebensfreude www.irisselby.ch