Werkzeugkiste für eine gelingende Erziehung
22.03.2024 Gesundheit, GewerbeWie Du deine Kinder erziehst – und ganz nebenbei auch dich selbst!
Frage von Simona
Ich bin sehr traurig, denn ich dachte, ich könne alle Probleme zu Hause selbst lösen, aber nein. Ich brauche eine Beratung. Die starken Emotionen meines Sohns Sandro, ...
Wie Du deine Kinder erziehst – und ganz nebenbei auch dich selbst!
Frage von Simona
Ich bin sehr traurig, denn ich dachte, ich könne alle Probleme zu Hause selbst lösen, aber nein. Ich brauche eine Beratung. Die starken Emotionen meines Sohns Sandro, 4-jährig, kann ich weder verstehen, noch damit umgehen. Er hat täglich mehrmals Wutausbrüche. Vor allem dann, wenn die Tagesmutter, mein Mann oder sonst jemand zu ihm Nein sagt. Dann schreit er, wirft mit Schimpfwörtern um sich, er schlägt, spuckt, was für uns das Schlimmste ist. Wenn ich nicht weiter weiss, dann ignoriere ich ihn, lasse ihn im Zimmer allein oder aber schreie ihn an. Wenn er dann noch zusätzlich seinen Bruder (2-jährig) schlägt, dann eskaliert alles. Wir sind sehr ratlos, denn wir machen doch vieles richtig: Wir schauen kaum TV, nutzen Handys massvoll, essen gesund, sind täglich draussen und unsere Liebe ist gross. Dazu habe ich die Einstellung, dass ich zuerst bei mir hinsehen muss und mich allenfalls verändere, damit sich im Aussen etwas ändert. Warum also diese Wutanfälle? Vor etwa einem halben Jahr hat dies alles begonnen.
Liebe Simona
Danke, dass Du den Mut noch nicht ganz verloren hast und mich angefragt hast. Ein kleines Versprechen kann ich dir schon jetzt geben: Alles, mit dem wir uns aktiv auseinandersetzen und offen auf den Tisch legen, wird sich mit der Zeit verbessern. Das beginnt tatsächlich mit einem veränderten Verhalten der Eltern. Das Kind kann allein noch nicht aus seinem negativen Verhalten herausfinden. Es braucht die Unterstützung der Erwachsenen. Um das Kind (und uns) zu verstehen, hilft uns das Verständnis der psychologischen Zusammenhänge.
Reagieren wir auf das schlechte Verhalten des Kindes ebenfalls mit Aggression, dann geschieht genau das, was du beschreibst. Es wird immer schlimmer, das Kind antwortet weiterhin mit Aggression, ob dies nun spucken, schlagen, stossen, beissen oder schreien ist, denn das Kind weiss nicht, was es sonst tun soll. Eine Negativspirale entsteht. Diese wird immer frustrierender – und zwar für alle Beteiligten. Wir kennen vier sogenannte Aggressionsstufen: 1. Die dauernde Aufmerksamkeit, 2. Der Machtkampf, 3. Die Rache, 4. Ich gebe auf, ich kann nicht gewinnen (Depression). Die 1. Stufe kennen wir gut vom Kleinkind. Es möchte immer Aufmerksamkeit von den Eltern erhalten. Nur dann fühlt es sich geliebt. Wird in dieser Phase oft «Nein» gesagt, dann sinkt der Selbstwert des Kindes und daher reagiert es schon bald mit der Stufe 2. Dort befindet ihr euch. Machtkämpfe finden statt.
Als Erziehende musst du nun lernen dich nicht auf diese einzulassen. Leichter gesagt, als getan! Sei vorbereitet und bleibe cool. Wenn möglich, dann ignoriere das schlechte Verhalten oder reagiere höchstens mit einer logischen, freundlichen Konsequenz. Zum Beispiel beim Spucken sagst du mit ruhiger Stimme: «Zum Glück haben wir einen Waschlappen, mit dem kannst du das nun aufwischen, ich zeige dir wie das geht.» Du rufst auf keinen Fall: «Nein, höre auf zu spucken, dies ist hässlich!» Denn genau auf dieses «Nein» wird das Kind mit einem Machtkampf reagieren. Es ist hilfreich, bei jeder «blöden» Sache, welches das Kind tut, in der «Ja-Sprache» zu bleiben und eine Alternative anzubieten. Nur so wird dein Kind nicht dagegen ankämpfen. In der Praxis kann das so gehen: «Wir holen nun den Putzlappen und putzen die Spucke auf dem Sofa weg. Du kannst in die Toilette oder in die Badewanne spucken. Das Sofa bleibt sauber.» Schon bald wird das Kind das Spucken lassen, da dies nicht mehr spannend ist. Denn es darf ja spucken, einfach an einem passenden Ort. Spuckt das Kind allerdings dich an, das wäre Stufe 3, dann verlässt du den Ort des Geschehens mit den Worten: «Das will ich nicht, das macht mich wütend und traurig. Ich werde mich nun waschen und mich auf dem Balkon beruhigen. Danach komme ich zurück und wir besprechen später, wenn wir uns beide beruhigt haben, wie wir dies in Zukunft besser machen.» Bei Stufe 3 der Aggression (Rache), müssen sich beide Seiten zunächst beruhigen, bevor Lösungen gesucht werden können. Nur freundliche Besprechungen helfen. Moralisierende Belehrungen senken den Selbstwert des Kindes noch mehr. Fällt dieser weiter, dann wird das Kind versuchen diesen wieder zu steigern. Wie? Mit erneuter Aggression! In der Stufe 4 (Depression), welche eher selten vorkommt, braucht eine Familie eine Fachperson, um aus dieser Situation wieder herauszufinden.
Die Pflege des Familien- und Gemeinschaftsgefühls ist bei häufiger Aggression von Kindern das Allerwichtigste. Viele positive und schöne Momente miteinander zu erleben ist der Schlüssel, um den Selbstwert des Kindes zu stärken. Je stärker dieser ist, desto weniger braucht es mit Aggression zu antworten. Fühlt sich der Erstgeborene zusätzlich vom Zweitgeborenen verdrängt, braucht der Erstgeborene umso mehr Liebe und Verständnis. Soweit die Zusammenhänge. Nun wünsche ich dir viel Geduld und Erfolg beim Aussteigen aus den Machtkämpfen. Mit etwas Übung wird dir das bald immer besser gelingen und das Verhalten deines Sohnes wird sich ändern. Vergiss auch nicht, immer wieder zu sehen, was alles gut in eurer Familie und an den Jungs ist.
Wenn du magst: Ich werde ab April eine «Fokusgruppe Erziehung» ins Leben rufen. Gleichgesinnte Eltern können sich dort, in einer kleinen Gruppe alle vier Wochen, Erlebnisse aus dem Erziehungsalltag erzählen. Danach üben wir gemeinsam, wie wir mit solchen und anderen Erziehungsproblemen besser umgehen können.
Bei Interesse an der Fokusgruppe bitte eine E-Mail an mail@irisselby.ch. Die Zeiten und der Ort (Raum Tägerig, Mellingen) werden auf die Möglichkeiten der Interessierten Eltern abgestimmt. Die Kosten pro Person pro Treffen (ca. 2 Stunden Dauer) betragen 40 Franken.
Alle Infos dazu sind zu finden unter www.irisselby.ch