Ängste, Monster und mehr Selbstbewusstsein
28.06.2024 Gesundheit, GewerbeBeratungskolumne der Schulischen Heilpädagogin und Familientherapeutin Iris Selby
Wie Du deine Kinder erziehst – und ganz nebenbei auch dich selbst!
Frage von Rosaria
Wir haben drei Kinder von 3, 5 und 9 Jahren. Alle sind eher schüchtern und ...
Beratungskolumne der Schulischen Heilpädagogin und Familientherapeutin Iris Selby
Wie Du deine Kinder erziehst – und ganz nebenbei auch dich selbst!
Frage von Rosaria
Wir haben drei Kinder von 3, 5 und 9 Jahren. Alle sind eher schüchtern und sensibel und auch nicht sehr «mutig». In doch vielen Situationen sind sie sehr ängstlich. Schon das Balancieren auf einem Baumstamm ist eine Herausforderung, aber auch das Einschlafen. Im Dunkeln könnte es Monster haben. Der 9-jährige denkt, obwohl er ein guter Schüler ist, dass er nicht genügt und in der Schule versagt. Das mittlere Mädchen reagiert in einem für mich unauffälligen Moment plötzlich aggressiv. Wenn ich sie dann später in den Arm nehme und frage was los ist, weint sie und sagt, sie wolle bei mir bleiben und nicht mehr in den Kindergarten. Leider sind auch wir Eltern eher ängstliche Menschen. Gerne möchten wir unseren Kindern zu mehr Selbstbewusstsein verhelfen. Wie können wir dies angehen?
Die magische Welt und die Angst
Kinder leben in den ersten 7 Jahren in einer magischen Welt. Sie nehmen alles über ihre Sinne wahr, nicht über Logik und Intellekt, wie Erwachsene. Kinder leben im Moment, während wir oft in der Zukunft oder Vergangenheit verweilen. Übrigens sollte man die Angst vor Monstern ernst nehmen. Frage, wie das Monster aussieht und wo es lebt. Das kann helfen. Wenn das Monster unter dem Bett ist, kann man es symbolisch hervorlocken und dann die Toilette herunterspülen. Solche Rituale können die Ängste des Kindes lindern. Auch Traumfänger, die böse Träume auffangen, können helfen. Zwischen 5 und 7 tauchen die Kinder dann allmählich aus dieser magischen Welt auf. In dieser Phase haben sie oft unsichtbare Freunde oder sehen Feen und Engel. Eltern sollten diese Fantasiewelt annehmen und sich ruhig auch davon verzaubern lassen.
Generelle Angst bei Kindern
Angst ist ein Grundgefühl bei Gefahr und löst auch starke körperliche Reaktionen aus. Sie zeigt sich mit Flucht, Starre oder Kampf, begleitet von Gefühlen wie Traurigkeit und Wut. Wenn die Angst lähmt, wandelt sie sich oft um in eine Aggression. Je stärker diese, desto grösser die die zugrundeliegende Angst. Kinder durchleben je nach Alter verschiedene Ängste. Da sind zunächst Tiere und die Dunkelheit (2–4 Jahre), Gespenster und Gewitter (4–6 Jahre), Blut, Verletzungen und Trennung (7–9 Jahre) und dann soziale Ängste (ab 11 Jahren). Alle diese und viele andere Ängste basieren auf den Urängsten vor Tod, Verlassenwerden und Versagen. Dazu ist es wichtig zu wissen: Kein Gefühl bleibt ewig bestehen, wenn es zugelassen wird. Auch die Angst löst sich auf, wenn man sie zulässt. Sätze wie «Lass es zu» oder «Augen zu und durch» beschreiben diesen Prozess. Im Familienalltag ist es wichtig, dass alle Gefühle besprochen und ernst genommen werden.
Umgang mit Angst
Angst wird im «primitiven Teil» des Gehirns, dem Reptiliengehirn, ausgelöst. Dieser Teil reagiert leider oft falsch. Die Auswirkungen: Die Lebensqualität ist eingeschränkt. Angst kann man auch nicht wegdiskutieren, man muss sie durchleben. Eltern sollten ihren Kindern daher aufzeigen, wie sie selbst mit Angst umgehen. Hier solltet ihr euch auch euren Ängsten stellen und an euch arbeiten. Auch mit Neugierde und mit Liebe kann Angst gut begegnet werden. Unverarbeitete Erlebnisse können Kinder den Schlaf rauben. Streit und emotionaler Stress in der Schule und Familie können Ängste auslösen. Jede Unstimmigkeit wird wahrgenommen und Angst kann die Reaktion darauf sein. Sogar wohlgemeinte Kritik kann Ängste auslösen.
Wie sollen Eltern auf Ängste reagieren
Nun, Angst ist «normal». Angst gehört zur Entwicklung und ist insofern auch gesund. Kinder müssen auch hören, dass Angst normal ist. Mit Sätzen wie «Schauen wir mal genau hin, wovor du Angst hast.» zeigst du Mitgefühl. Pläne entwickeln und konkrete Schritte besprechen, also klare Handlungsanweisungen erarbeiten hilft. Die Aussagen «Du musst keine Angst haben» oder «Pass auf!» wiederum verstärken die Ängste. «Erziehung mit der Angst» geschieht oft unbewusst, weil das bei uns auch so gemacht wurde und auch, weil wir unsere eigenen Ängste besänftigen wollen. Ängstliche Kinder brauchen Ermutigung und Eltern die Sicherheit ausstrahlen und Erfolgserlebnisse ermöglichen.
Strategien zur Angstbewältigung
Folgende Strategien und Tätigkeiten können dabei helfen, der Angst so richtig Angst zu machen. Die Angst malen, nachspielen oder Knetmasse daraus formen, kindgerechte Erklärungen und Bilderbücher, Märchen erzählen, Tagebuch schreiben, Halstuch der Mutter bei Verlassensangst. Krafttiere und Kraftsteine mitgeben, geführte Meditationen, Entspannungsübungen, Schatztruhe mit Ideen zur Angstbewältigung füllen, Homöopathie, Kinesiologie, Bachblüten, Atemübungen, Yoga usw … Auch Einzelsportarten wie Kampfsport, Fechten, Bogenschiessen helfen. Wichtig: Keine Nachrichten über Unfälle/Kriege usw. und keine beängstigenden Filme schauen. Solche Dinge sollten unter Erwachsenen bleiben. Generell können Rituale und vertraute Gegenstände bei Ängsten vor dem Zubettgehen helfen. Schulängste hängen oft mit Versagensangst zusammen. Eltern sollten hier eine positive Fehlerkultur pflegen und den Druck von Prüfungen und Schulnoten mindern.
Ich bin mir bewusst, dass ich zunächst darauf eingegangen bin, wie ihr mit euren Ängsten umgehen könnt. Das schafft die Basis für den nächsten Schritt, denn jetzt fehlt ja noch die Antwort auf eure eigentliche Frage: «Wie können die Kids mehr Selbstvertrauen bekommen?» Einerseits, indem ihr euch den Ängsten stellt und diesen nicht zu viel Raum gebt. Andererseits in dem ihr das Selbstvertrauen steigert. Wie das klappt und was es dazu braucht, verrate ich euch in der nächsten Grossauflage des Reussboten am 13. September.
Die bisherigen Erziehungsratgeber könne nachgelesen werden unter reussbote/.ch/de/ratgeber
Eine gute Sommer- und Ferienzeit mit viel Mut und Zuversicht beim Umgang mit den Ängsten, wünsche ich euch. Eure Erziehungsberaterin Iris Selby, Schulische Heilpädagogin und Familientherapeutin – www.irisselby.ch
Iris Selby
« Fokusgruppe Erziehung »
Regelmässig treffen sich gleichgesinnte Eltern in einer kleinen Gruppe zum Austausch von Fragen und Erlebnissen aus dem Erziehungsalltag. Gemeinsam finden wir Antworten und profitieren gegenseitig von unseren Erfahrungen. Es hat noch freie Plätze. Ich freue mich auf dich.
Ort: Mellingen, 1x im Monat, Dienstag 19 – 21 Uhr.
nächstes Datum am 27. August 2024
Die Kosten pro Person, pro Treffen betragen CHF 40.–
Bei Interesse an der Fokusgruppe oder einer Beratung bitte E-Mail an mail@irisselby.ch