Niko Läderach studiert Philo- sophie und Germanistik an der Uni- versität Zürich, arbeitet als Assistenz im Kinder- garten und an Wochenenden im Sportcenter. Seine Freizeit verbringt er gerne draussen mit dem Hund, an der Reuss, aber auch mal ge- mütlich zu Hause ...
Niko Läderach studiert Philo- sophie und Germanistik an der Uni- versität Zürich, arbeitet als Assistenz im Kinder- garten und an Wochenenden im Sportcenter. Seine Freizeit verbringt er gerne draussen mit dem Hund, an der Reuss, aber auch mal ge- mütlich zu Hause bei einer Lektüre.
Waldspaziergang
Ich gehe langsam. Es ist kalt. Der Hund beschnüffelt seelenruhig die Sträucher, Meter für Meter kommen wir gemächlich vorwärts. Wenn ich hochschaue, werde ich von den Farben überwältigt: etwas Grün, viel Rot, ein weiches Orange, teils knalliges, teils sanftes Gelb, etwas Braun. Zwischen den Farben scheinen zuweilen ein paar Sonnenstrahlen hindurch, meist sind sie aber vom leichten Grau des Nebels umgeben. Ich gehe langsam weiter. Die Menschen, deren Blicke ich treffe scheinen freundlich, alle lächeln, sie sind gut gelaunt.
Was sich nach einem herbstlichsonnigen Waldspaziergang anhört, entpuppt sich als einfacher Gang durch die Quartierstrasse. Nebel hats wirklich, die Farben stammen aber von unzähligen Wahlplakaten. Die abgebildeten Personen lächeln zwar meist, wirklich freundlich oder menschlich wirkt das Ganze aber nicht. Das Schlendern schlägt schnell in einen straffen Gang um. Der richtige Wald ist in rettender Nähe.
Natürlich gehören diese Wahlplakate wahrscheinlich seit Ewigkeiten zur Schweizer Politlandschaft. Leider aber nicht zur politischen. Ich glaube die Frage, die ich mir zu diesen Plakaten immer stelle, bleibt rhetorisch: Nein, natürlich hat noch nie jemand eine Person nur wegen einem Plakat gewählt. Alles wird als Plakathalterung missbraucht: Bäume, Zäune, Stromkästen. Das Argument, dass die Plakate vor allem an den Wahltermin erinnern sollen, scheint mir anhand der Wahlbeteiligung eine Farce zu sein. Ich möchte gar nicht wissen, wieviel Anteile der Wahlkampagnenbudgets für diese Plakatierungen verwendet werden. Vielleicht werden sie heutzutage wenigstens nachhaltig produziert. Ja klar, vielleicht erkennt man auch mal jemanden und wenn einem diese Person sympathisch ist, erwägt man dann tatsächlich eine Wahl. Das dürfte aber nicht mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein sein. Im Jahr 2024 wäre doch langsam der Moment für ein Umdenken gekommen. Von mir aus könnte man die Plakate sogar beibehalten – eins pro Partei und Kampagne. Wenns dann pro Strasse nur 10 anstatt 50 sind, hätten wir schon viel gewonnen. Wohl kaum etwas anderes lässt so tief in die Furche zwischen Politik und Sinnhaftigkeit blicken, wie diese Plakate. Schön wäre doch, wenn wir unsere Landschaft so einrichten könnten, dass sich wieder ein gemächlicher Gang einstellt, wenn beim Herbstspaziergang wieder die richtigen Blätter ihre Farben zeigen dürften.