Ein wachsamer Denker ist nicht mehr unter uns
09.05.2025 TägerigZum Gedenken an Kurt Oldani, ehemaliger Grossrat, Gemeindeammann und Gemeinderat
Wenn einer Tägerig und seine Bürgerinnen und Bürger sehr gut kannte, dann war das Kurt Oldani. Mit seinem Tod verliert die Gemeinde eine Persönlichkeit, die weit über seine Heimat ...
Zum Gedenken an Kurt Oldani, ehemaliger Grossrat, Gemeindeammann und Gemeinderat
Wenn einer Tägerig und seine Bürgerinnen und Bürger sehr gut kannte, dann war das Kurt Oldani. Mit seinem Tod verliert die Gemeinde eine Persönlichkeit, die weit über seine Heimat bekannt war.
Kurt Oldani ist nicht mehr unter uns. Die Nachricht von seinem Tod Ende Februar verbreitete sich rasch. Im Frieden sei er gegangen, sagen seine nächsten Angehörigen. Er sei mit sich im Reinen gewesen. Dazu passend der Spruch auf der Trauerkarte, den er selber seinen Liebsten mit auf den Weg gegeben hatte: «Ehr müend de ned trurig si, wenn ech emol goh. Ech be de ame schöne Ort!»
Oldani war ein Mann mit vielen Facetten, stets gut für einen träfen Spruch. Aber nie billig, nie über andere herziehend. Kurt Oldani war ein eher stiller Beobachter mit wachem Auge. Einer, der die Dinge einzuordnen wusste, ohne Hast. Die Übertreibung war seine Sache nicht. Er neigte eher zum Gegenteil. In seinen Kolumnen im «Reussbote» brach nicht selten Kritik an gesellschaftlichen Entwicklungen durch. Aber er versuchte immer auch jene zu verstehen, denen die Kritik galt. Oldani, der Erklärer und Schlichter.
Italienische Wurzeln
Sein Urgrossvater war Italiener aus Magenta, einem Städtchen unweit von Mailand entfernt. Weil es in dieser Gegend zu jener Zeit kaum ein Auskommen gab, zog Urgrossvater Oldani in den 1870er-Jahren los und überquerte zu Fuss die Alpen. Wie viele andere Italiener hatte er von den Arbeitsmöglichkeiten in der Schweiz gehört, die in jenen Jahren mit dem Bau der Gotthardbahn und der Nationalbahn einen eigentlichen Bauboom erlebte. So kam Oldani in diese Gegend, nach Wohlenschwil. Es sollte allerdings dauern, bis sich Kurt Oldanis Vater Fritz am 1. Dezember 1942 in Wohlenschwil einbürgern liess. Dafür, so berichtete Kurt Oldani einst dem «Reussbote», habe sein Vater stolze 750 Franken bezahlen müssen, was damals mehreren Monatslöhnen entsprach. «Mein Vater musste sich dafür verschulden», erzählte Oldani, der damals genau einen Monat und 27 Tage alt war. «Genauso viele Tage lang war ich ein Italiener.»
Stets mit Tägerig verbunden
Kurt Oldani war nicht viel älter, als die Familie nach Tägerig umzog. Hier ging Kurt Oldani zur Schule und hier hat er den Grossteil seines Lebens verbracht. Erst als Schüler, später als Filialleiter der Raiffeisenbank und als Gemeinderat, dem er während beinahe 18 Jahren angehörte, davon fast zehn Jahre lang als Ammann. In seine Zeit fiel der Bau der Mehrzweckhalle, die bei ihrer Fertigstellung 1 Million Franken teurer war als geplant. «Das hat damals schon einiges zu reden gegeben», erinnerte sich Oldani, «aber sie steht immer noch.»
Vornehmes Schweigen
Die Streitigkeiten um die Abstimmung von Sportplätzen vor circa 10 Jahren hatte Oldani aus der Distanz beobachtet. Er sagte dazu: «Zu meiner Zeit wäre man wohl zusammen an einen Tisch gesessen und hätte versucht, die Gemeinsamkeiten herauszufinden.» Sonst aber äusserte er sich zur Politik im Dorf nicht. «Über seine Nachfolger spricht man nicht», sagte er dazu nur.
Neben dem Gemeinderat war Oldani auch noch 14 Jahre lang im Grossen Rat aktiv, 1991/92 präsidierte er als Höhepunkt das Parlament. In welcher Partei? «Bei der SVP, als diese noch normal war», sagte Oldani vor zehn Jahren trocken. Genauso trocken, wie er in seinen Kolumnen über wiehernde Amtsschimmel und ungebührliches Verhalten im Alltag schrieb. Nie kam es ihm in den Sinn, Ross und Reiter direkt zu benennen. Oldani pflegte die kühle Distanz des Beobachters, dem das Wohl der Gemeinschaft näher lag als seine persönliche Profilierung.
Oldani hat für den «Reussbote» 1357 Kolumnen geschrieben, Ende 2019 legte er den Griffel nach 14 Jahren weg.
«Man muss wissen, wann man aufhören soll», sagte Kurt Oldani damals. Die Ideen für sein «Angetippt» sind ihm nie ausgegangen, schreibmüde war er nie. Viel mehr sei nun nach 14 Jahren der Zeitpunkt gekommen, aufzuhören. Und das in Phase eins. Was heisst das? Bei der Phase eins weiss man selbst, dass man aufhören kann, bei der zweiten wissen das auch andere und bei der dritten wissen es nur noch andere.
Der Familienmensch
Seine Familie gab Kurt Oldani den Rückhalt und den Rückszugsort. Seine Frau Béatrice, die Kinder Matthias, Raphael und Stephanie, später die Enkelkinder waren sein grosser Stolz. «Mein Vater war sehr viel unterwegs», erinnert sich Raphael Oldani. Er ist als Lehrer und Comedian tätig und hat das Theatergen wohl von seinem Vater geerbt. Kurt Oldani war Mitglied des Cabaret Waldschnägg. Bei einer Aufführung lernte er seine spätere Frau Béatrice kennen. 1971 läuteten die Hochzeitsglocken in Tägerig.
Der Beobachter
Kurt Oldanis Begabung war das Beobachten. Nicht selten setzte er sich in eine Gartenbeiz, sinnierte bei einem Bierchen und beobachtete das Geschehen rundherum. Daraus entstand nicht selten die nächste Kolumne im «Reussbote». Oldani hatte ein unglaubliches Wissen über Tägerig. Sein Dorf war ihm ans Herz gewachsen. 2013 veröffentlichte er ein erstes literarisches Werk als Liebeserklärung an das Dorf. Er porträtierte in «Jetzt, wot’s seisch ...» seine Erinnerungen an verschiedene Dorforiginale aus den 40er- bis 60er-Jahren. Es folgten zwei weitere Bücher, das letzte erst vor zwei Jahren mit dem Titel «So sind’s öppe gsi».
Oldani, der Spontanschreiber, der Kolumnist, der aus dem Vollen eines reich bewegten Lebens schöpfte. Wann Schluss sein soll? Das wusste er bei seiner Verabschiedung im «Reussbote» noch nicht. Er hat sein Leben nie geplant. Es ist einfach so gekommen, wie es kommen musste. (bn/bg/dg)