IG Casino legt Beschwerde beim Kanton ein
09.05.2025 NiederwilDie Sanierung und Reaktivierung des Casinos Nesselnbach steht trotz erteilter Baubewilligung immer noch auf der Kippe
Der Verein kritisiert die aus seiner Sicht überzogenen Auflagen für den Betrieb des Casinos in der vorliegenden Baubewilligung. Die Mitglieder der IG Casino ...
Die Sanierung und Reaktivierung des Casinos Nesselnbach steht trotz erteilter Baubewilligung immer noch auf der Kippe
Der Verein kritisiert die aus seiner Sicht überzogenen Auflagen für den Betrieb des Casinos in der vorliegenden Baubewilligung. Die Mitglieder der IG Casino sehen darin die Bestätigung, dass der Gemeinderat das Vorhaben eigentlich verhindern will.
Die Geschichte des Casinos Nesselnbach ist über hundert Jahre alt. Es wurde 1911 als erstes gemeinsames Versammlungslokal nach der Fusionierung von Niederwil und Nesselnbach erbaut und 1967 in Fronarbeit renoviert. Jahrzehntelang diente es als Vereinslokal und Treffpunkt im Dorf. «Wir haben dort so viel erlebt. Für uns ist das ein wichtiges Kulturgut», sagt René Seiler, der im Februar 2023 gemeinsam mit Toni Rohrer die Petition mit insgesamt 148 Unterschriften zur Reaktivierung des Casinos an Gemeindeschreiber Christian Huber übergab.
Seit 1999 wurde das Gebäude von der Gemeinde nicht mehr offiziell vermietet und diente als Lagerraum. Nur die Schränzerclique verwendete die Räumlichkeiten noch in der Fasnachtszeit als Schminkraum und nutzte das 1927 nachgerüstete WC. Dem Niedergang des einst stolzen Versammlungslokals vorangegangen waren diverse Lärmklagen aus der Nachbarschaft in den 1990er-Jahren. Mit möglichen Lärmimmissionen durch Autos und Casino-Nutzer sowie abschlägigen Gesprächen mit Anwohnerinnen und Anwohnern begründete der Gemeinderat vor zwei Jahren auch seine zögerliche Haltung gegenüber einer Reaktivierung. Es gebe ausserdem zuwenig Aussenraum rund um die Liegenschaft, so die Argumentation. Ein Überweisungantrag von Thomas Moor, heute Präsident der IG Casino, an der Winter-Gmeind 2023 wurde allerdings vom Souverän angenommen. Der Gemeinderat traktandierte daraufhin einen Verpflichtungskredit von 30 000 Franken für die Sanierung, empfahl aber dessen Ablehnung. Es kam anders: Die Gemeindeversammlung stimmte dem Kredit in der folgenden Abstimmung im Juni 2024 zu.
Hinter den Kulissen brodelte es
Danach drang lange nichts mehr nach aussen. Erst im vergangenen Herbst lag ein offizielles Baugesuch auf – mit rigidem Benützungsreglement, das unter anderem Partys und Discos im Casino verbot und die Nutzungszeiten begrenzte. Darüber hinaus war der Einbau eines Schwedenofens statt des Cheminées vorgesehen sowie eine Elektroheizung für die Übergangszeit und als Frostschutz. In der Folge gab es jedoch zwei Einsprachen aus der Nachbarschaft. Erst im April dieses Jahres wurde die Baubewilligung erteilt.
Die sorgt nun abermals für rote Köpfe bei den Initianten. An einer Pressekonferenz informierten sie über die aus ihrer Sicht unverhältnismässig hohen Auflagen, welche die Sanierungskosten um mindestens einen Drittel in die Höhe treiben würden. Der grösste Knackpunkt ist aber die Forderung nach einem Dienstbarkeitsvertrag mit der Elisabethenstiftung für die Nutzung von sieben Parkplätzen an der Heilig-Kreuz-Kapelle inklusive Grundbucheintrag. Die Stiftung hatte einer Nutzung durch die Casino-Besucher bereits zugestimmt. «Gemäss dem Präsidenten der Elisabethenstiftung erlaubt der Stiftungszweck einen solchen Grundbucheintrag gar nicht», erklärt IG-Präsident Thomas Moor. Denn die Parzelle wäre damit in Zukunft an die Einwohnergemeinde Niederwil als Eigentümer des Casinos gebunden. Ein Dilemma für die Interessengemeinschaft, die selbst keinen Einfluss auf diesen Punkt hat. Zu wesentlich höheren Kosten führen würden darüber hinaus die geforderten Brandschutzmassnahmen. Weil laut Baubewilligung ein Blockhaus und ein Schopf auf der Rückseite zu nahe am Casino-Grundstück stehen, sind teure Brandschutzfenster vorgeschrieben. Diese bewilligungspflichtigen Kleinbauten seien im Herbst 2023 auf der Website «geoProSuisse» noch nicht eingezeichnet gewesen, sagen die Initianten. Rund sieben Monate später seien sie dann plötzlich auf der Parzelle eingezeichnet gewesen. Mit Verweis auf den Datenschutz habe man keinen Hinweis von der Gemeinde bekommen, wann diese Objekte bewilligt worden seien. Nicht nachvollziehbar finden Moor und seine Mitstreiter auch das Verbot der geplanten elektrischen Widerstandsheizung, die laut Baubewilligung gesetzlich nicht zulässig ist. Dies widerspreche früheren Auskünften durch die externe Bauverwaltung, erklären die IG-Vertreter. Neben einer eigenen mobilen Rampe für die Eingangstreppe fordert der Gemeinderat Niederwil eine Prüfung der Hausanschlussleitung sowie der Kanalisation des Casinos. Bei Beschädigung oder Undichtheit sollen diese vom Verein saniert werden.
Verein zieht die Reissleine
Für die IG Casino, die ursprünglich lediglich Türen, Fenster und Jalousien in Fronarbeit ersetzen wollte, sind die Forderungen völlig überzogen. Sie reagieren mit einem Infoblatt an die Bevölkerung – und mit einer Beschwerde beim Departement Bau, Verkehr und Umwelt beim Kanton. Ihr Hauptantrag: Das Baugesuchsverfahren für nichtig und gegenstandslos zu erklären und aufzuheben. Alternativ sollen die Hauptforderungen der Baubewilligung gestrichen werden. In ihrem Beschwerdebrief argumentiert die IG, dass eine Baubewilligung gar nie notwendig gewesen sei, da durch die Renovation keine Umnutzung erfolge. Zudem sei man vom Gemeinderat in die Bauherrschaft «gedrängt worden», obwohl man weder Grundstücks- und Objektbesitzer noch Mieter oder Pächter sei. Er selbst habe das Baugesuch nur unterzeichnet, weil der Gemeinderat sich geweigert habe und damit es vorwärts gehe, betont Moor. Der Verein sei damals allerdings noch gar nicht gegründet und er allein nicht zeichnungsberechtigt gewesen, so eine weitere Begründung für die Aufhebung der Baubewilligung im Beschwerdebrief: «Wir hätten nie geglaubt, solche Schritte gehen zu müssen», erklären die Initianten. Sie vermuten hinter dem Baugesuchsverfahren und der Einsetzung der IG als Bauherrin die Absicht des Gemeinderates, den Auftrag der Gemeindeversammlung zu vereiteln.
Gemeindeammann widerspricht
Norbert Ender erklärt auf Anfrage, man habe die Bereitschaft der Initianten, sich für die Aufwertung und Aktivierung des Casinos zu engagieren, von Anfang an gewürdigt und unterstützt, aber stets auf das Konfliktpotenzial mit den Anstössern und die Erfüllung der baurechtlichen Voraussetzungen hingewiesen: «Der Gemeinderat hat sich stets stark für eine korrekte Umsetzung des Gemeindeversammlungsbeschlusses engagiert.» Da die Initianten das Projekt ausgearbeitet hätten und dieses in ihrer Verantwortung in Fronarbeit umsetzen wollten, sei die IG Casino von der Sache her in der Rolle der Bauherrin. «Die Gemeinde hat das Baugesuch in der Rolle der Liegenschaftsbesitzerin mitunterzeichnet.» Ein Baubewilligungsverfahren sei im Interesse der Gemeinde als Gebäudeeigentümerin und der Betreiber. Damit werde Rechtssicherheit erlangt, was sowohl für die langfristige Nutzung wie auch zur Absicherung der Investitionen unerlässlich sei. Bei den Auflagen halte man sich an die rechtlichen Rahmenbedingungen. Nun liegt der Ball also beim Kanton: «Wir hoffen, dass Aarau zu einem anderen Schluss kommt», sagt Thomas Moor. Sollte der Kanton den Anträgen der IG nicht folgen, werde man das weitere Vorgehen prüfen.
Michael Lux