In Berikon stirbt ein 15-jähriges Mädchen. Eine 14-Jährige steht unter Verdacht, ihre Mitschülerin mit einer Stichwaffe getötet zu haben. Ich musste den Satz mehrfach lesen, um ihn zu glauben – es passierte nicht etwa in einer Grossstadt, nicht im zwielichtigen ...
In Berikon stirbt ein 15-jähriges Mädchen. Eine 14-Jährige steht unter Verdacht, ihre Mitschülerin mit einer Stichwaffe getötet zu haben. Ich musste den Satz mehrfach lesen, um ihn zu glauben – es passierte nicht etwa in einer Grossstadt, nicht im zwielichtigen Milieu, sondern auf dem Aargauer Mutschellen. Dort, wo eigentlich die Welt noch «in Ordnung» sein sollte.
In den Boulevardmedien und sozialen Netzwerken kursieren Gerüchte, Meinungen, Mutmassungen. Die bisher bekannten Fakten: Zwei Jugendliche treffen sich beim Schützenhaus, wollen offenbar einen Streit klären. Es endet tödlich. Die Hintergründe bleiben unklar. Die Region steht unter Schock – zurecht. Denn was hier geschehen ist, lässt sich nicht fassen. Der Tod der Jugendlichen hinterlässt tiefe Narben im Umfeld beider Mädchen. Ein Leben wurde ausgelöscht, eines bleibt für immer gezeichnet.
Und doch müssen wir uns trauen, Fragen zu stellen. Nicht aus Voyeurismus. Sondern weil solche Taten – so selten sie sein mögen – wie ein Riss durch das Selbstbild unserer Gesellschaft verlaufen. Ländliche Regionen wie Berikon gelten als «sicher». Aber Sicherheit ist mehr als Polizeipräsenz oder gut beleuchtete Strassen. Es ist auch emotionale Stabilität, soziale Bindung, Halt. Und hier beginnen die Brüche.
Unsere Dörfer wachsen, aber wachsen sie auch zusammen? Der Wandel ist sichtbar: neue Wohnquartiere, andere Lebensrhythmen, weniger Vereinsleben, mehr Isolation. Jugendliche erleben digitale Nähe, aber reale Einsamkeit. Konflikte eskalieren plötzlich, weil niemand mehr präsent ist, um zu deeskalieren. Nicht die Eltern. Nicht die Nachbarn. Nicht die Gemeinschaft.
Was diese Tragödie ausgelöst hat, wissen wir noch nicht. Vielleicht war es ein Streit, vielleicht etwas ganz anderes. Aber was sie offengelegt hat, ist klar: Wir müssen genauer hinschauen. Zuhören. Wieder Beziehungen pflegen, bevor sie abbrechen. Räume schaffen, wo Jugendliche nicht nur beaufsichtigt, sondern gesehen werden.
Die Ermittlungen werden hoffentlich Antworten bringen. Aber sie werden nicht trösten. Und sie werden nicht rückgängig machen, was geschehen ist. Was bleibt, ist das dringende Bedürfnis, genau hinzuschauen. Nicht nur auf Berikon – sondern auf alle Orte, wo wir glauben, dass so etwas «nicht passieren kann». Denn es kann.